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Der Koch als Manager

Erschienen in:

KÜCHE IM ALTENHEIM VINCENTZVERLAG 11/02/06

Im turbulenten Küchenalltag wird der Einkauf oft zur Nebensache. Die Verantwortung jedoch ist groß.

Ganz normaler Alltag in der Küche einer Einrichtung. Wenn Stefan Bollenbach morgens gegen 6.30 Uhr seine Küche im Alten- und Pflegeheim St. Brigida in Köln betritt, ist es dort noch völlig ruhig. Wenn er spät nachmittags, oft auch erst abends geht, liegt alles wieder blitzblank und wie eingeschlafen. Die Stunden dazwischen gehören der Personalplanung, der Ressourcenplanung, dem Kochen, dem Planen von Aktionen und den Absprachen mit Heimleitung und Mitarbeitern. 186 Bewohner von St. Brigida versorgen Bollenbach und sein insgesamt 10-köpfiges Team jeden Tag mit Frühstück, Brotzeit, Mittagessen, Kaffee und Abendessen. Zusätzlich ist der Küchenleiter für die Waschküche verantwortlich und kümmert sich als Betriebsratsvorsitzender um die Belange aller Mitarbeiter. Jeder Tag ist prall gefüllt mit alltäglichen Abläufen und zahlreichen organisatorischen Herausforderungen. Und irgendwann zwischen all diesen Verpflichtungen findet der Einkauf von Lebensmitteln und auch hochpreisigen Gebrauchsgütern statt. Ein Einkauf, der im Durchschnitt rund 15 Prozent eines Budgets der Einrichtung umsetzt. Der Koch als Manager.

Vieles von dem, was typischen Managern jedoch in der Regel in die berufliche Wiege gelegt wird, muss ein Küchenchef sich selbst erarbeitet. Besonders stolz ist der gelernte Gastronomie-Koch, ausgebildete Küchenmeister und Heimkoch Stefan Bollenbach daher auf seine Computerkenntnisse, denen kein Computerkurs, statt dessen Beobachtung, Zuhören und Gespräche mit Bekannten vom Fach zu Grunde liegen. „Das Ding beisst nicht“, schmunzelt er. „Das kann höchstens gelegentlich abstürzen, dann macht man es wieder an.“  Und als unschlagbaren Vorteil des Autodidakten bewertet er, dass man es dann auch wirklich verstanden und auch bei Schwierigkeiten besser im Griff hat.

Als der Küchenmeister vor rund acht Jahren an seinem heutigen Arbeitsplatz antrat, sei vom Computer in der Küche noch nicht die Rede gewesen. „Das war das gleiche wie seinerzeit noch in den meisten Unternehmen,“ erinnert er sich. „Überall waren Zettel. Und wenn derjenige, der die Bestellung aufgegeben hat nicht da war, konnte oft niemand hundertprozentig kontrollieren, ob die Lieferung auch richtig war“. Seinen ersten Computer hat Bollenbach sich daher vom eigenen Geld angeschafft und dann, als sein computergestütztes Ordnungssystem anfing zu laufen, der Einrichtung verkauft.

Dabei nimmt er die Frage, ob eine gut durchdachte  Papierablage nicht die gleichen Dienste leisten kann, wie ein Computer durchaus ernst. Es gehe ja hier nicht um den Computer um der Technik willen, stimmt er zu. Selbstverständlich gibt es nach wie vor viele Papierlisten in seiner Küche, ob zum Nachweis der HCCP-Anforderungen oder für Einträge in den Dienstplan. Selbstverständlich hinterlegt er die vollständigen Bestelllisten auch ausgedruckt, damit jeder Mitarbeiter eine Lieferung überprüfen kann. Selbstverständlich könne nicht jeder Mitarbeiter mit einem Computer umgehen. Wozu auch? „Doch die Fäden, die müssen auf einem Computer zusammenlaufen, wenn der Überblick bewahrt werden soll,“ lehrt ihn seine Erfahrung.

Beispiel Kostenkontrolle. Noch stärker als private Einkäufer traf die Euro-Umstellung die Großeinkäufer. In den verschiedensten Arbeitskreisen der Branche kam es immer wieder zur Sprache: Die alten Vergleichzahlen im Kopf  waren weggebrochen, klammheimliche Preissteigerungen sind unbemerkt geblieben und die Kalkulation wurde schwieriger. Schon nach den ersten beiden Monaten, so Bollenbach, habe er anhand seiner selbst erstellten verknüpften Excel-Tabellen bemerkt, wo für die gleiche Leistung mehr verlangt wurde. Schnelles Nachverhandeln, erneutes Senken der Preise war möglich. Auch ein Kollege Bollenbachs, der kurzfristig aus dem gemeinsam entwickelten Tabellensystem ausgestiegen war, stieg sofort wieder ein, nachdem ihm kurz nach Beenden, die Einkaufskosten aus dem Ruder liefen. Monatlich geben die Küchenchefs zu einem bestimmten Stichtag die aktuellen Ausgaben für die einzelnen Bereiche wie Bäcker, Metzger, Obsthändler, aber auch Großhändler ein. Die Auswertungen sind vorprogrammiert und werden vom Computer selbstständig ausgespuckt. Die Einkäufe beim Großhändler REWE tätigt St. Brigida bei sensano.com via Internet und bekommt dabei von seinem Dienstleister ebenfalls detaillierte Reportings an die Hand.

Zweites Beispiel Standard-Bestellvorgang. Sind die notwendigen Formulare erst einmal installiert, erspart der PC auch hier deutlich Zeit: Formular am PC öffnen, in die Kästchen die Anzahl der benötigten Gebäckstücke, Fleischwaren oder Obstsorten eintragen und die Bestellung wird per Faxschleife direkt aus dem PC auf das Fax in der Backstube oder ins Büro des Lieferanten geschickt. Ähnlich, wenn auch bei Bollenbach komplett digital ohne Umweg aufs Fax, verläuft der Einkauf beim Großhändler: Der Küchenchef öffnet im Internet www.sensano.com, gibt seine persönliche Kennung ein und kann auf die übersichtlichen Daten der vorhergehenden Bestellungen zurückgreifen. Er muss lediglich die neuen Mengen eingeben und auf ausdrucken und absenden drücken. Die Bestellung geht online an den Großhändler und der Ausdruck bleibt zum Überprüfen der Lieferlisten und als Gedankenstütze in der Küche. Lieferantenbesuch gibt es nur noch bei echtem Beratungsbedarf.

Drittes Beispiel komplexe Bestellungen. Auch hier greift das Internet. Wo zuvor Kataloge gewälzt, Preise verglichen, Vertreter empfangen wurden, formuliert der Einkäufer nun seine Anfrage möglichst präzise per eMail oder Fax. In St. Brigida geht diese Anfragen dann in vielen Fällen direkt an den Dienstleister sensano AG, von wo aus die Anfrage sowohl an gelistete als auch an nicht bei sensano aktive Anbieter weitergeleitet wird. Um zeitnahen Eingang und Präzision der Angebote kümmert sich der sensano Berater, sodass der Einrichtung am Ende des Anfragevorgangs ohne großen organisatorischen Aufwand mindestens drei vollständige Angebote verschiedener Anbieter vorliegen.

Viertes Beispiel Dienstpläne. Auch die Dienstpläne werden am Computer verwaltet. Die Personalstelle hat via Intranet direkten Zugang darauf. Ausrechnen von Stunden, Überstunden, Zuschlägen etcetera mit dem Taschenrechner werden vom PC übernommen und gehören damit auch für diese der Vergangenheit an.

Selbstverständlich ist etwas Geduld gefragt, bis all dies funktioniert. Bis zu einem halben Jahr kann die Umstellung dauern. Und auch harte Einschnitte sind gelegentlich nötig, da viele Strukturen erst geschaffen oder angepasst werden müssen. So hat die Küche von St. Brigida die Lieferantenzahl drastisch reduziert, um von der neuen Übersichtlichkeit auch profitieren zu können. Doch Bollenbach und immer mehr seiner Küchenchef-Kollegen sind davon überzeugt, dass es anders auf Dauer nicht geht: „Nur so können wir trotz dramatisch knapper Ressourcen die Qualität unserer Leistung erhalten, nur so bleibt die Zeit und das Geld um auf die Bedürfnisse unserer Bewohner einzugehen.“ Oder, um im Küchenjargon zu bleiben: nur so erhält die Küche sich die Möglichkeit immer wieder auch ein <<Schmankerl>> zu bieten, das Freude macht.

 

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Stefan Bollenbach | SBollenbach@gmx.net